Abgrund

Ich habe Marko das letzte Mal gesehen beim Abi-Treffen 2007. Der Junge, der in den Siebzigern mit mir in einer Straße in der Waldsiedlung gewohnt, und wie ich auch, im mittelalterlich beschaulichen Büdingen sein Abitur gemacht hat, wanderte irgendwann nach Australien aus und hat sich vor ein paar Wochen entschieden, nicht mehr weiterzugehen. Ich glaube, wir haben zusammen Judo trainiert und er war ziemlich talentiert, aber das hat wohl keine Relevanz mehr, wenn man entschlossen ist nicht mehr zu kämpfen. Über Facebook hatten wir dann wieder Kontakt, haben einander „geliked“ und ein wenig erfahren von dem jeweils Anderen am jeweils anderen Ende der Welt. Wer gibt schon zu, dass er einsam ist im worldwideweb? Ich meine nicht die Einsamkeit an gesellschaftlichen Rändern, sondern die in den ganz normalen Verhältnissen, wo harmloser Alltag zum Zombie mutiert. In einer globaliserten Welt, in der alles zusammenwachsen soll zu einer Gemeinschaft von Weltbürgern, ist, so scheint mir, viel Raum für große Visonen und wenig Platz für kleine Zweifel. Für alles gibt es gute Gründe oder zumindest einen Plan. Das ist aber nur die von meiner Wahrnehmung und Erfahrung gefärbte Version einer möglichen Motivation, sich das Leben zu nehmen. Jeder hinterlässt eine Spur in den Köpfen und Herzen der Menschen die einem begegnet sind, wie kurz oder intensiv die Begegnung auch immer gewesen sein mag. Meine Erinnerung an Marko? Geradlinig, klug und traurig warst Du und ich mochte Dich - eigentlich grundlos.  

 

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